Warum Differenzierung überschätzt wird und Unverwechselbarkeit unterschätzt wird

Rainer Kienboeck
20.1.2021
Minuten Lesezeit

Die meiste Marken- und Produktwerbung fokussiert sich auf eine Eigenschaft, die das jeweilige Produkt von der Konkurrenz abhebt. Die Wissenschaft zeigt aber, dass ein ganz anderer Faktor viel wichtiger ist.

Unzählige Stunden oder eher Tage und Wochen verbringen Marketer:innen und Markenverantwortliche jedes Jahr damit, zu evaluieren, welcher Vorteil, welche Eigenschaft, welches Feature ihres Produkts oder der Marke in den Mittelpunkt gerückt werden soll.

Begonnen mit einer genauen Analyse der Konkurrenz und Marktforschung wird versucht, eine klare Differenzierung herauszuarbeiten und zu kommunizieren, die idealerweise ein Kundenbedürfnis anspricht, das die Konkurrenz noch nicht erkannt hat. Häufig handelt es sich dabei aber maximal um einen zeitlichen Vorteil, denn auch die Konkurrenz hat auf die gleiche Marktforschung Zugriff und selten hat ein Unternehmen wirklich einen signifikantenInnovationsvorsprung. 

Unverwechselbarkeit (Brand Distinctiveness)

Vergleichbar wenig Zeit wird dafür für einen anderen Faktor verwendet, der jedoch, wenn man der Wissenschaft Glauben schenken mag , eine viel größere Auswirkung auf die Verkaufszahlen der meisten Produkte und den Erfolg von Markenkampagnen hat.

Die sogenannte “Brand Distinctiveness” (deutsch: Unverwechselbarkeit) beschreibt, wie der Look & Feel und die Tonalität einer Marke sich von allen Marktbegleiter:innen abhebt. Nur selten ist dieser Faktor bei Marken wirklich gegeben. Zu oft wird ein relativ verwechselbares Design gewählt, um diversen gut gemeinten Ratschlägen zu folgen (“blau wirkt seriös”, “Sans Serif ist gerade in”).

Nahezu niemand traut sich komplett gegen den Fluss zu schwimmen, Farben zu nehmen, die die Konkurrenz nie anfassen würde, einen ganz anderen Stil zu wählen oder von der zum Standard gewordenen, “freundlichen” Markentonalität abzuweichen. Dabei gibt es sehr viele gute Gründe genau das zu tun.

Wissenschaftliche Erkenntnisse

Der australische Marketingwissenschaftler Byron Sharp hat sich genau mit diesem Thema beschäftigt und gezeigt, dass selbst für theoretisch stark technologisch differenzierte Marken wie Apple diese Differenzierung vom normalen Konsument:innen kaum wahrgenommen wird. Im Gegenzug hat er sich wissenschaftlich angesehen, warum Konsument:innen dann doch gewisse Marken deutlich bevorzugen oder mental schneller abrufen können.

Was er gezeigt hat, ist essentiell für alle Markenverantwortlichen und Marketer:innen.Wir merken uns jene Marken am meisten, die mit ihrem Look & Feel und ihrer Tonalität stark von der Konkurrenz abweichen und einzigartige Assoziationen bei Konsument:innen erzeugen und daher einprägsamer sind.

Zusammengefasst ist es deutlich wichtiger, anders auszusehen, zu agieren und zu reden, als eine vermeintlich differenzierende Eigenschaft des Produkts oder der Marke in den Mittelpunkt zu stellen.

Wer an viele der erfolgreichsten Markt denkt, wird diese wissenschaftliche Erkenntnis auch mit Bauchgefühl sofort bestätigen können. Man denke z.B. in Österreich an Neuburger (“Sag niemals Leberkäse zu ihm”.

Beispiel Casper versus Purple

Unser internes Lieblingsbeispiel kommt aus den USA und dem D2C (Direct-To-Consumer) Matratzenmarkt. Vor wenigen Jahren gab es einen großen Hype, der auch in Europa zu spüren war, aber in erster Linie in den USA kurzfristig die Marketingwelt dominiert hat.

Dabei ging es um neue direkt online verkaufende Matratzenmarken, die mit hoher Qualität aber niedrigen Preisen der traditionellen Konkurrenz zusetzen wollten. Das lauteste und best finanzierte Startup darunter war Casper, das insbesondere mit seiner zahlreichen Podcast-Werbung Aufsehen erregte.

Als Look & Feel hatte es einen modernen und seriösen Stil gewählt und inhaltlich waren alle Botschaften auf die Features und den Preisvorteil fokussiert. Auf der anderen Seite gab es einen zweiten größeren und schlechter finanzierten Mitbewerber mit dem Namen Purple.

Die Markenverantwortlichen dort wählten jedoch einen komplett anderen Weg:Die Werbung war laut, alles in einem starken Violett gefärbt und der Stil mehr als einzigartig. So einzigartig, dass wir es nicht einmal beschreiben können und du dir lieber dieses Video als Beispiel selbst ansiehst:

Das Ergebnis war – du kannst es dir denken – , dass Purple mit deutlich weniger Marketingausgaben heute mehr Umsatz macht und abgesehen davon deutlich profitabler ist.

Fazit & freche Eigenwerbung

Es wird Zeit, deine Markenstrategie zu überdenken oder, wenn das nicht möglich ist, dich zumindest in der Art und Aufbereitung deiner Werbung abzuheben. Denn Fakt ist, wenn deine Werbung sich nicht abhebt, können sich Konsument:innen nicht daran erinnern.

Wir helfen dir dabei gerne, ob in Form eines Markenworkshops mit unserem Geschäftsführer und Markenexperten Thomas Ilk oder indem wir deinen digitalen Auftritt in den sozialen Medien und anderen Werbekanälen unverwechselbarer machen. Wir helfen dir, mehr aus deiner Marke rauszuholen.

Fazit

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